Corona und die Insolvenzen in der Kreativwirtschaft - Was bedeutet die Corona-Krise für unsere Kunstschaffenden?

Seit dem Beginn der Corona-Krise hat vor allem ein Teil der deutschen Wirtschaft sichtbar gelitten, die Kreativwirtschaft. Während andere Branchen zwischenzeitlich zumindest mit Beschränkungen ihren Betrieb aufrechterhalten konnten, war es den deutschen Kulturbetrieben kaum möglich regelmäßig zu arbeiten und zu wirtschaften.

Dabei lohnt es sich zu betrachten wie groß die Kreativwirtschaft eigentlich ist, vor allem, da oft die Assoziation vorherrscht, dass es ja „nur“ um Kultur geht. Dass Betriebe, die sich vor allem mit der Freizeit beschäftigen gar nicht so essenziell sein können. Dieser Schein trügt aber. In der Kreativwirtschaft in Deutschland sind nämlich, laut Zahlen aus dem Jahr 2018, 1,3 Millionen Menschen beschäftigt, von denen eine halbe Millionen selbstständig sind. Und von diesen halben Millionen sind 436.000 sogenannte Solo-Selbstständige. Der Umsatz in diesem Teil der Wirtschaft lag 2018/2019 bei 168,3 Milliarden Euro, das sind fünf Prozent des Bruttoinlandproduktes. Alles in allem also ein beachtlicher Teil der Volkswirtschaft.

Die Tatsache, dass fast die Hälfte der Beschäftigten in der Kreativwirtschaft selbstständig sind ist bei der Betrachtung auch wichtig, da Selbstständige, und vor allem Solo-Selbstständige deutlich anfälliger für Krisen sind als große Unternehmen, da sie oft über weniger Geldrücklagen verfügen und es für sie oft schwerer ist sich Geld auf dem Kapitalmarkt zu besorgen. Die Bereiche, die von Solo-Selbstständigen dominiert werden, sind: Kunsthandwerk und bildende Kunst (80%), Fotografie (57%), Musik (54%), Theater-, Film- und Fernsehproduktionen (53%) und Schauspiel und Choreographie (52%). In all diesen Bereichen konnte man also schon zu Beginn der Krise von großen kommenden Belastungen ausgehen.

Zu den Belastungen haben vor allem die getroffenen Maßnahmen beigetragen. Die zwischenzeitlich gelockerten Einschränkungen von Veranstaltungen, sowie die allgemeinen Kontaktbeschränkungen im Frühjahr, sowie die die seit November gelten, haben es für Kulturschaffende sehr schwer gemacht ihrem Gewerbe nachzugehen. Dies wird auch durch die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in diesem Sektor verdeutlich.



Dabei gilt zu beachten, dass die Arbeitslosigkeit im November noch niedriger als in den Vormonaten war, weil die Auswirkungen der neuen Kontaktbeschränkungen dort noch nicht zum Tragen kamen. Man kann aber deutlich erkennen, wie stark die Arbeitslosigkeit in Frühjahr und Sommer gestiegen ist.

Für ein detailliertes Bild kann man sich ansehen welche einzelnen Bereiche der Kulturwirtschaft den größten Anstieg an Arbeitslosigkeit verzeichnen mussten.



Diese Grafik zeigt, dass selbst im Produktdesign, das, verglichen mit den anderen Branchen, relativ verschont geblieben ist, immer noch über dem durchschnittlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit in der Gesamtwirtschaft liegt. Es ist keine Überraschung, dass die Darstellenden Künste, die auf Publikumsverkehr angewiesen sind, am schwersten getroffen wurden.

Präzisere Analysen zu den Auswirkungen der Krise sind aber schwer zu treffen, ironischerweise aufgrund der Maßnahmen selbst. Durch die Aussetzung der Insolvenzpflicht ist es gut möglich, dass es viele Betriebe gibt, die zwar auf dem Papier noch arbeiten aber trotzdem vor dem Aus stehen. Ein Blick auf die wirtschaftliche Situation der Selbstständigen kann hier aber helfen ein ungefähres Bild zu bekommen.

So haben 93% der Solo-Selbstständigen in der Veranstaltungsbranche, sowie 50% der Kulturschaffenden einen Umsatzrückgang von über 75%. Dazu kommt, dass 41% der Solo-Selbstständigen in der Veranstaltungsbranche und 28% von den Kulturschaffenden ihre Selbstständigkeit beenden mussten. Dies kann als Äquivalent zur Insolvenz gesehen werden, da sie sich ihre Tätigkeit finanziell nicht mehr leisten können. Man hat es hier also mit einem dramatischen Umsatzrückgang und einer daraus folgenden Welle von Geschäftsaufgaben zu tun.

Die Konsequenzen sind auch in Göttingen zu spüren. Veranstaltungsfirmen wie die Musa, die Theater und die Kinos konnten lange keinen Betrieb aufrechterhalten. Für sie kommt noch dazu, dass sie nicht sofort werden öffnen können, wenn sie es wieder dürfen, da Vorbereitung und Planung nötig sind. So muss für ein Kino zum Beispiel erst Filmware besorgt werden. Steht diese nicht zur Verfügung, muss man mit der Öffnung warten. Aus eben jenem Grund hat zum Beispiel die Musa einige Veranstaltungen selbst über das geplante Ende der Kontaktbeschränkungen hinaus abgesagt.

Ein weiterer Faktor in dieser Situation ist die für KünstlerInnen eigens eingerichtete Künstlersozialkasse (KSK), für die man sich qualifiziert, wenn man pro Jahr mindestens 3.900 Euro verdient. Die Mitgliedschaft in dieser Kasse ist, für alle, die die Voraussetzungen erfüllen, Pflicht. Sie übernimmt bei Kranken- bzw. Rentenversicherung den Arbeitgeberanteil und die Beiträge berechnen sich nach dem tatsächlichen Jahreseinkommen der Versicherten und nicht nach den Beiträgen der jeweiligen Versicherungen. Sie nehmen also Rücksicht auf die Tatsache, dass die Einkommen von Menschen in der Kreativbranche oft deutlich unregelmäßiger sind als die von Leuten, die in anderen Wirtschaftszweigen arbeiten.

Das Problem dabei ist, dass viele Solo-Selbstständige über die letzten Monate Nebenverdienste suchen mussten um fehlende Einnahmen auszugleichen. Aber als Mitglied der KSK darf man maximal 450 Euro pro Monat aus nicht-künstlerischen Quellen verdienen. Das hat also dazu geführt, dass vielen ihre Mitgliedschaft gekündigt wurde. So hatten 2020 3.000 KünstlerInnen und PublizistInnen keine Krankenversicherung. Und bei 10.000 Betroffenen wurden im November sogar Vollstreckungsverfahren wegen rückständiger Beiträge ausgelöst, nachdem ihnen ihre Mitgliedschaft gekündigt worden war.

Dies ist nicht das einzige Problem, dem man begegnet, wenn es darum geht die Betroffenen zu unterstützen. So sind KünstlerInnen und Kreative in der Corona-Krise nicht arbeitslos oder arbeitssuchend, sondern können, wie viele andere auch, ihre Profession nicht ausüben. Dieser Umstand ist im System nicht vorgesehen. Sozialhilfe orientiert sich an der Vollzeitbeschäftigung, im Kulturbereich gibt es aber nur relativ wenig Vollzeitbeschäftigung und dafür relativ viel atypische Beschäftigung, also Leiharbeit, Befristete Beschäftigungsverhältnisse, Teilzeitbeschäftigungen und eben die Solo-Selbstständigkeit.

Die staatlichen Hilfsmaßnahmen zu Milderung der Corona-Krise hatten auch mit Problemen zu kämpfen. Mitte 2020 orientierten sich die „Soforthilfen“ unter anderem an der Mitgliedschaft in der KSK. Dies wurde kritisiert, da nur 5% der künstlerischen Tätigen in der KSK erfasst sind. Seitdem wurde versucht die Kriterien zu erweitern.

Im November wurden Hilfen für Solo-Selbstständige in Höhe von bis zu 50 Milliarden Euro beschlossen, dies stand auch KünstlerInnen und Kulturschaffenden zur Verfügung. Für Kultur- und Medienschaffende wurde der Zugang zur Grundsicherung vereinfacht

Die Überbrückungshilfe II wurde zum 01.Januar zur Überbrückungshilfe III verlängert. Bis Ende Juni 2021 sind pro Monat 200.000 Euro Betriebskostenerstattung möglich. Betroffene aus dem Kunst- und Kulturbereich erhalten eine Betriebskostenpauschale von bis zu 5.000 Euro als steuerbaren Zuschuss. Dazu kommt eine einmalige Betriebskostenpauschale (sogenannte Neustarthilfe). Damit können Soloselbstständige einmalig 25% des Umsatzes des entsprechenden Vorkrisenzeitraums 2019 erhalten (Muss nicht zurück gezahlt werden) Maximal werden 5.000 Euro gezahlt

Überbrückungshilfe nur begrenzt hilfreich, da Betriebskosten nur geringen Teil der Ausgaben von Solo-Selbstständigen ausmachen. (~ 5% des Umsatzes) (Andere Selbstständige haben dazu noch Personalkosten, die lange Zeit nicht in die Berechnung einbezogen wurden). Hier wurde auf Kritik mit der „Neustarthilfe“ reagiert, diese gibt es aber nur für Kulturbetriebe, die nicht überwiegend öffentlich finanziert werden. So hatte zum Beispiel das Junge Theater in Göttingen Probleme an eben diese Hilfen zu kommen.

Natürlich ist es schwer abschließende Schlüsse zu ziehen, weil die Corona-Krise immer noch eine sich ständig wandelnde Situation ist und auf viele Kritikpunkte bereits reagiert wurde, wie zum Beispiel die Tatsache, dass die Betriebskostenpauschale für künstlerische Betriebe nicht sonderlich hilfreich war. Trotzdem kann man für die Zukunft festhalten, dass die Kreativwirtschaft Hilfe bei der Wiedereröffnung brauchen wird. Und man sollte es den KünstlerInnen einfacher machen an Unterstützung zu kommen und sicherstellen, dass KünstlerInnen, die sich in Krisenzeiten Nebenverdienste suchen müssen, nicht ihre Versicherung verlieren.

    Teilen

    Kommentare