Offener Brief an den Kreisverband der Jungen Union Göttingen

Jusos Göttingen

Anlass dieses offenen Briefes ist ein von der Jungen Union gezeigtes Transparent am Rande der Gegendemonstration zur gleichzeitig auf dem Bahnhofsvorplatz stattfindenden Kundgebung des rechtsradikalen „Freundeskreises / Thügida“. Auf dem Transparent war Folgendes zu lesen: „Antifa und Freundeskreis ist alles derselbe Scheiß!“. Das Transparent ist sowohl Ausdruck einer wissenschaftlich längst überholten „Extremismus-Theorie“, sondern es verhöhnt zusätzlich diejenigen, die seit Gründung des „Freundeskreises“ ihre Zeit geopfert haben, damit Göttingen eine moderne und weltoffene Stadt bleibt.

Dieses Transparent am Tag einer bunten, antifaschistischen Gegendemo kann nur als Provokations- und gleichzeitig Spaltungsversuch des bunten Gegenprotestes angesehen werden. Wir fragen uns, welches Interesse die Junge Union mit dieser Aktion verfolgt hat. War es der verzweifelte Versuch Aufmerksamkeit zu erlangen oder doch nur Ausdruck eines verqueren Weltbildes der Jungen Union? Wir verurteilen diese Spaltungsversuche aus Selbstprofilierungsgründen der Jungen Union.

Der zwanghafte Reflex der Jungen Union sich über linke Strukturen zu empören, anstatt sich klar von gewaltbereiten Neonazis abzugrenzen, ist für uns unverständlich und wird von uns abgelehnt. Ist doch eine klare Kante gegen rechtes Gedankengut keine Aufgabe die der politischen „Linken“ alleine zusteht, sondern eigentlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstellt. Die Schrecken des deutschen Faschismus sollten allen Menschen die Erkenntnis „Nie wieder!“ mit auf den Weg geben. Antifaschismus ist keine einfache politische Einstellung, sondern sollte erste Maxime sein.

Vor nicht einmal 30 Jahren war die Region Göttingen eine Hochburg neonazistischer Übergriffe und sogar eines neonazistischen Mordes. Durch ein Schulungszentrum der mittlerweile verbotenen rechten Partei „FAP“ in der Region angelockt, zogen damals rechte Skinheadbanden durch Göttingen und das Umland, um Andersdenkende anzugreifen. Ein trauriger Höhepunkt dabei war der Tod Alexander Selchows in der Neujahrsnacht 1991 in Rosdorf. Zwei Neonazi-Skinheads erstachen den damals 21-jährigen, nur weil dieser nicht in ihr Weltbild passte.

Nun gibt es wieder Versuche von rechtsradikalen Kräften in der Region Fuß zu fassen. Dabei schrecken diese nicht vor Gewalt und Bedrohungen zurück. Diese richten sich gegen Lokalpolitiker*innen, Angestellte der Stadt und Menschen die sich öffentlich gegen Nazis einsetzen. Doch bei Drohungen bleibt es nicht. Nachdem schon im November vergangenen Jahres eine Gruppe bewaffneter Neonazis mehrere Gegendemonstrant*innen angriff und verletzte, versuchte der „Freundeskreis“ am Wochenende im Anschluss ihrer Auftritte in Göttingen und Northeim zur Geflüchtetenunterkunft in Friedland vorzudringen und jagten, unter lautem Jubel und Anfeuerungsrufen ihrer Kamerad*innen, Journalist*innen durch die Straßen. Dieser Vorfall wurde dabei auf Facebook live vom Freundeskreis übertragen. Ein Angriff konnte nur in letzter Sekunde durch die polizeilichen Einsatzkräfte unterbunden werden.

Die Waffenfunde in mehreren Wohnungen von Mitgliedern des „Freundeskreises“ in Folge einer Polizeirazzia gepaart mit ihrem Gerede vom Umsturz im Jahr 2017 und den Phantasien einer neuen, durch sie erschaffenen Gesellschaft, machen einen entschieden Gegenprotest unabdingbar. Die 90er-Jahre haben gezeigt, wie eine Vielzahl von verschiedenen Gesellschaftsgruppen, Vereinen, Zusammenschlüssen und Bündnissen gemeinsam in Göttingen erfolgreich antifaschistische Proteste organisiert hat und damit Göttingen jahrelang zu einer nazi-freien Zone gemacht hat, in der niemand Angst vor nächtlichen Neonazi-Angriffen haben musste.

Wenn die Junge Union versucht diesen bunten und vielfältigen Protest zu torpedieren, der von den Gewerkschaften über Göttinger Unternehmen, wie Sycor, und kulturellen Einrichtungen, wie dem Göttinger Symphonieorchester, getragen wird, dann stärken sie damit höchstens den Neonazis den Rücken. Daher fordern wir Jusos Göttingen die Junge Union auf, sich für diese Aktion zu entschuldigen und das Göttinger Bündnis gegen Rechts bei der nächsten Kundgebung mit einer entsprechenden finanziellen Hilfe zu unterstützen.


Antifaschistische Grüße

Die Jusos Göttingen

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